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Klimawandel

Dienstag, 10.11.2009

Schwefel als Klimaretter?

Eine Idee mit hohen Risiken

Die Grundidee ist einfach. Sie stammt von Professor Paul Crutzen, Atmosphärenchemiker und Träger des Nobelpreises. Mit Hilfe von Ballonen oder Flugzeugen werden massenhaft feinste Schwefelteilchen in den hohen Luftschichten zwischen zehn und 50 Kilometern Höhe ausgebracht. Am wirksamsten wäre es, die Schwefelfracht über tropischen Gebieten aufsteigen zu lassen und dort in der Stratosphäre zu verbrennen. Durch Luftströmungen würden sich dann künstlich geschaffene Aerosole um den ganzen Globus verteilen.

Eine Komponente, Schwefeldioxid, ist ein giftiges, stechend riechendes Gas. Es macht die Luft am Erdboden ätzend und erzeugt sauren Regen. In der Stratosphäre würde es jedoch eine hohe Wirksamkeit auf das Klimageschehen entfalten: Chemische Reaktionen wandeln das Schwefeldioxid in der Atmosphäre in Sulfat-Partikel um. Diese Teilchen wirken dann wie ein Spiegel und werfen einen Teil der Sonnenstrahlung zurück ins All. So wird das Sonnenlicht gedämpft, in den unteren Luftschichten und an der Erdoberfläche kommt also weniger Wärmestrahlung an.

Natürliche Freisetzung von Schwefel durch Vulkanausbrüche

Bildquelle: Ernesto Corpuz, Philippine Institute of Volcanology and Seismology - Bei Vulkanausbrüchen (hier die Eruption des Mayon am 24. September 1984) werden riesige Mengen Asche freigesetzt. Im Falle grosser Ausbrüche erreicht der Staub hohe Schichten der Lufthülle und dämpft dann monate- oder jahrelang die Sonneneinstrahlung. Nach dem Ausbruch des Krakatau im Jahre 1883 kam es weltweit zu Missernten infolge kalter Sommer.

Die abkühlende Wirkung derartiger Aerosole auf das Klima ist wissenschaftlicher Konsens. Sie zeigte sich zuletzt eindrucksvoll nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo im Jahr 1991. Schätzungen zufolge setzte der philippinische Feuerberg seinerzeit 10 bis 25 Millionen Tonnen Schwefel frei. Die schwefelhaltigen Partikel umhüllten in der Folge den ganzen Globus. Im darauf folgenden Jahr sank die mittlere Erdtemperatur um ein halbes Grad. Auch Modellberechnungen zeigen die hohe Effizienz schwefelhaltiger Aerosole.

Indem jährlich etwa eine Million Tonnen Schwefel in der Stratosphäre ausgebracht würde, liessen sich die Klimafolgen eines verdoppelten Kohlendioxidgehalts theoretisch kompensieren. Ferner sollte das Verfahren dazu in der Lage sein, kurzfristig zu greifen und schon innerhalb von etwa sechs Monaten Wirkung zeigen.

An der Wirksamkeit des von Crutzen vorgeschlagenen Verfahrens bestehen kaum Zweifel, ausserdem hat es den Vorteil einer relativ einfachen technischen Umsetzbarkeit. Auch wenn es voraussichtlich Milliardensummen verschlänge, wäre die Kosten für die Durchführung im Vergleich zu anderen vorgeschlagenen Lösungen geradezu spottbillig.

Die Risiken, Nebenwirkungen und unüberschaubaren Folgewirkungen einer künstlichen Schwefelausbringung in der Stratosphäre sind jedoch immens. Hier prallen die Interessen von Umwelt- und Klimaschutz direkt aufeinander. Nach einer Verweildauer von knapp zwei Jahren in hohen Luftschichten sinken die Schwefelpartikel nämlich zum Erdboden zurück und führen zu einer Versauerung der Meere und sehr wahrscheinlich auch zu Schäden an der Vegetation, Stichworte: Saurer Regen, Waldsterben.

Karten zum Ozonloch

Bildquelle: Nasa - Die Grafiken zeigen, dass sich auch in diesem Jahr über der Antarktis ein Ozonloch bildete, die Rekordausdehnung des Jahres 2006 jedoch nicht erreicht wurde.

Eine beschleunigte Zerstörung der stratosphärischen Ozonschicht ist sehr naheliegend. Hinzu kommen unabsehbaren Risiken für die Chemie der Atmosphäre, für den Wasserhaushalt des Planeten und letztendlich auch für die Produktion von Nahrungsmitteln. So hat sich zum Beispiel Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung skeptisch geäussert: "Man müsste über viele Generationen hinweg mit den Schwefelinjektionen fortfahren, sonst käme es zu einer plötzlichen, massiven Erderwärmung."

Nicht zuletzt unter dem Aspekt, dass ein einmal begonnenes Experiment kaum wieder zu stoppen wäre, mahnt auch sein Erfinder Crutzen zu grösster Vorsicht und betont, dass die von ihm vorgeschlagenen Massnahmen nur im äussersten Notfall durchgeführt werden sollten.

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